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VfB Stuttgart - Dinos Mavropanos im Interview: "Allein wegen Ronaldinho war ich Barca-Fan"

Dinos Mavropanos spielt erst seit Sommer 2020 beim VfB Stuttgart, hat sich aber innerhalb von kürzester Zeit zu einem absoluten Leistungsträger, Fanliebling und zu einem der spannendsten Verteidiger der Bundesliga entwickelt. Im Interview mit GOAL und SPOX spricht der 24-jährige Grieche über seine Liebesbeziehung zu den VfB-Fans, seine Leidenschaften abseits des Fußballs und seine Zukunft in Stuttgart.

Mavropanos ist bis Ende der Saison von Arsenal ausgeliehen, der VfB besitzt bei Klassenerhalt eine Kaufpflicht über vergleichsweise lächerliche 3 Millionen Euro.

Angesichts der Leistungen von Mavropanos wird sich der Grieche in die lange Liste der Transfercoups von VfB-Sportdirektor Sven Mislintat einreihen.

"Dinos ist mit seiner Schnelligkeit, seiner Aggressivität und seiner Kopfballstärke auf einem sehr guten Weg, sich zu einem absoluten Top-Innenverteidiger zu entwickeln. Er geht auf dem Platz mit Leistung und Mentalität voran. Wir sind sehr froh, ihn beim VfB zu haben", macht Mislintat gegenüber GOAL und SPOX klar, wie viel er von Mavropanos hält.

Herr Mavropanos, bevor wir zum Fußball kommen, Sie sollen ein großer Formel-1-Fan sein. Stimmt das?

Dinos Mavropanos: (lacht) Woher wissen Sie das? Sie haben gut recherchiert, das ist richtig. Ich liebe die Formel 1. Ich versuche, jedes Rennen im TV zu verfolgen, sofern ich die Zeit dazu habe. Es ist ein Traum von mir, eines Tages mal die Chance zu haben, in einem Formel-1-Auto zu sitzen und zu spüren, wie sich das anfühlt. Das wäre unglaublich.

In Griechenland ist neben Fußball vor allem Basketball populär. Wie sind Sie als kleiner Junge zum Fußball gekommen?

Mavropanos: Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich sie irgendwann gefragt habe, ob ich in einen Fußballverein gehen darf. Ich mag zwar auch Basketball sehr, aber irgendwie hat es mich von Beginn an zum Fußball gezogen. Ich war verrückt danach und habe versucht, alles im Fernsehen anzuschauen, was übertragen wurde. Egal was. Wir haben als Kinder auch noch richtig auf der Straße gekickt, bis es abends dunkel wurde. Und ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Trikot.

Erzählen Sie.

Mavropanos: Mein erster großer Held war Ronaldinho. Mein erstes Trikot war von ihm, ich war so glücklich, als ich es zum ersten Mal übergezogen habe. Ronaldinho war unfassbar in seiner Zeit bei Barca. Allein wegen ihm war ich damals Barca-Fan. Das war eine tolle Zeit. Was Abwehrspieler angeht, war Paolo Maldini das erste große Vorbild für mich. Maldini war ein echter Krieger. Aber Ronaldinho war Ronaldinho. Wenn ich mir aussuchen könnte, welche berühmte Person ich gerne einmal treffen und mit wem ich gerne einmal einen coolen Abend verbringen würde, wäre es auf jeden Fall Ronaldinho.

Wer dürfte noch dabei sein an diesem Abend?

Mavropanos: Also wenn ich wirklich die freie Wahl hätte, würden LeBron James und Giannis Antetokounmpo uns noch begleiten. Ronaldinho, LeBron, Giannis und ich würden dann losziehen. (lacht)

Mavropanos: "Ich bewundere LeBron James seit vielen Jahren"

Warum LeBron und Giannis?

Mavropanos: Ich bewundere LeBron seit vielen Jahren. Nicht nur weil er ein unglaublicher Basketballspieler ist. Er macht Dinge auf dem Court, bei denen du vor dem Fernseher sitzt und dich fragst, wie er das gerade gemacht hat. Aber mich fasziniert auch seine Persönlichkeit. Was soll ich sagen? LeBron ist LeBron, einer der Größten der Geschichte. Und Giannis ist LeBron meiner Meinung nach sehr ähnlich. Auf dem Court ist er eine Gewalt, die nicht zu stoppen ist und sich gegen jeden durchsetzen kann. Abseits des Courts ist er aber ein ganz bescheidener und auf dem Boden gebliebener Junge, der nicht vergessen hat, wo seine Wurzeln liegen. Giannis ist ein Gott in Griechenland, er ist mit Abstand der populärste Sportler, den wir aktuell haben.

Von Giannis ist bekannt, für welche Werte er steht und wie er groß geworden ist. Was haben Ihnen Ihre Eltern mitgegeben?

Mavropanos: Ohne meine Eltern wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin. Viele Sportler kommen ja aus einem sehr sportlichen Elternhaus, die Mutter oder der Vater sind oft selbst Sportler gewesen, das war bei mir nicht so. Meine Eltern waren keine Profisportler, deshalb konnten sie mir in der Hinsicht nicht mit ihren Erfahrungen helfen. Aber dafür haben sie mir fürs Leben geholfen. Sie haben mir Ratschläge gegeben, die unabhängig von einer Sportlerkarriere wichtig sind und die ich immer beherzigt habe. Und die auch auf den Sport anwendbar sind. Das Wichtigste für sie war Fleiß. Sie haben mir vorgelebt, was harte Arbeit bedeutet. Und dass auch schlechte Tage kommen werden, aber dass man gerade dann seinen Kopf oben behalten und an sich glauben muss, dann wird man auch seinen Weg gehen. Sie hatten recht.

Ab wann wussten Sie denn, dass Sie die Chance haben, Profifußballer zu werden?

Mavropanos: Es gab nicht diesen einen entscheidenden Moment, bei dem mir klar wurde, dass ich Profi werden kann. Aber ich war schon immer sehr selbstkritisch. Ich habe mir immer genau angehört, was meine Trainer zu sagen hatten und habe dann versucht, es mit meinem eigenen Eindruck zu vergleichen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und besser zu werden. Mit der Zeit habe ich natürlich gemerkt, dass ich Talent habe und ganz gut bin, aber um eine Profikarriere einzuschlagen, brauchst du ja auch ein bisschen Glück und das richtige Timing.

Mavropanos: "Mit Sven Mislintat verbindet mich eine besondere Beziehung"

Das richtige Timing hatten Sie vor allem am 31. Dezember 2017.

Mavropanos: Oh Mann, das war ein verrückter Tag. Ich erinnere mich noch genau. Ich hatte davor sehr gute sechs Monate in Griechenland für meinen Verein PAS Ioannina und an Silvester bekam ich den Anruf, dass Arsenal mich verpflichten will. Am 31. Dezember bekam ich den Anruf und am 1. Januar war ich schon auf dem Weg nach London, um meinen Vertrag zu unterschreiben. Ich war so nervös in diesen Tagen. Plötzlich will so ein großer Klub wie Arsenal dich haben, ich war etwas durch den Wind. (lacht)

Das Witzige ist ja, dass es Sven Mislintat war, der Sie damals unbedingt zu Arsenal holen wollte und er war es später auch, der Sie unbedingt nach Stuttgart holen wollte.

Mavropanos: Mit Sven verbindet mich eine besondere Beziehung. Ich glaube, jeder weiß, wie viel Ahnung er von Fußball hat, aber mir ist noch wichtiger, was er für ein wunderbarer Mensch ist. Er will 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche nur das Beste für jeden einzelnen Spieler, für das Team und für den Verein. Sein Optimismus steckt alle an.

Plötzlich waren Sie Anfang 2018 bei Arsenal. Wie ging es weiter?

Mavropanos: Es war ein Abenteuer für mich. Ich war zum ersten Mal weg aus meiner Heimat Griechenland und dann gleich bei einem so großen Klub in einer Weltstadt wie London. Das war schon ein krasser Unterschied. Plötzlich sitzt du in der Kabine neben Stars wie Pierre-Emerick Aubameyang, die du zuvor nur aus dem Fernsehen kanntest. Als Sokratis dann zur neuen Saison zu Arsenal kam, war das für mich Gold wert. Er war ein Mentor für mich und hat mir extrem viel geholfen, abseits des Platzes, aber auch was das Lesen des Spiels aus der Abwehr heraus angeht zum Beispiel.

Welche Erlebnisse stechen für Sie heraus?

Mavropanos: Ich werde nie mein Debüt vergessen. Das war im Old Trafford gegen ManUnited und ich bekam es mit Romelu Lukaku zu tun. Bis heute habe ich gegen keinen besseren Stürmer spielen müssen. Wir haben zwar mit dem VfB in der Bundesliga gegen Bayern und Dortmund gespielt, aber ich hatte da nie das persönliche Matchup mit Robert Lewandowski oder Erling Haaland. Deshalb muss ich sagen, dass Lukaku bislang mein härtester Gegenspieler war. Seine Physis ist sehr imposant, dazu ist er technisch so gut, er ist wirklich nur ganz schwer aufzuhalten.

Beim VfB haben Sie es im Training auch mit ein paar guten Jungs zu tun.

Mavropanos: Auf jeden Fall. Vor allem ist Silas wieder zurück. Er ist so schwer zu verteidigen. Wir haben es jetzt schon wieder gesehen, obwohl er bisher nur kürzere Einsätze hatte. Aber selbst in diesen Minuten siehst du sofort, wie besonders Silas ist. Er lässt Dinge auf dem Platz einfach aussehen, die nicht so einfach aussehen sollten. Er hat dieses gewisse Etwas, das nicht viele Stürmer haben. Er ist so wichtig für uns. Er gibt uns so einen großen Schub, wenn er auf dem Feld steht. Und er hat uns auch mit seiner Persönlichkeit gefehlt. Er ist ein witziger Junge, er hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Er spricht zwar nicht so viel Englisch, aber oft brauchen wir gar keine Worte, um uns zu verstehen. Silas ist ein besonderer Junge.

Mavropanos: Gladiator? "Der Vergleich stört mich nicht"

Sie spielen aber auch eine besondere Rolle beim VfB. Ihr Coach Pellegrino Matarazzo hat Sie einmal als Gladiator bezeichnet.

Mavropanos: Ich weiß. Ich spreche nicht so gerne über mich, aber sagen wir mal so: Der Vergleich stört mich nicht. (lacht) Es gibt schlimmere Vergleiche. Es ehrt mich auch, wenn andere mich zum Beispiel ein wenig mit Traianos Dellas vergleichen. Dellas ist bei uns in Griechenland ein Held seit dem EM-Titel 2004. Dass mein Name irgendwie in Verbindung zu ihm fällt, freut mich natürlich.

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Sie sind aber torgefährlicher als Dellas. Sie haben in der Bundesliga schon vier Tore erzielt in dieser Saison.

Mavropanos: Ich hatte schon immer auch einen Drang, Tore zu schießen. Als kleiner Junge rennst du unabhängig von deiner Position auch mit nach vorne und willst treffen. Das habe ich nie ganz abgelegt. Meine wichtigste Aufgabe als Verteidiger ist und bleibt es, Tore zu verhindern. Aber wenn sich die Möglichkeit bietet gerade bei Standards auch offensiv ein Faktor zu sein, dann musst du diese Chancen nutzen.

Wenn Sie Ihr eigenes Spiel analysieren, woran müssen Sie noch am meisten arbeiten?

Mavropanos: Da gibt es viele Dinge. Ich würde nicht sagen, dass es einen bestimmten Bereich meines Spiels gibt, der verbessert werden muss. Ich muss mich überall verbessern. Taktisch, mit dem Ball, ohne den Ball, ich bin nirgendwo am Limit. Ich denke auch nicht nur an fußballerische Aspekte. Ich arbeite auch mit unserem Teampsychologen zusammen, er hilft mir zum Beispiel mit Entspannungsübungen, auch das ist wichtig. Dazu kommt die körperliche Fitness. Ich habe aufgrund meiner Verletzungen wirklich schon harte Zeiten durchmachen müssen, das war nicht immer einfach, aber genau diese Erfahrungen haben mir auch geholfen, meinen Körper verstehen zu lernen. Was braucht mein Körper? Was braucht er nicht? Wie höre ich am besten auf meinen Körper? Da bin ich zum Glück schon einige Schritte weitergekommen.

Mavropanos: "Ich genieße die Zeit in Stuttgart gerade sehr"

Die VfB-Fans haben Sie längst ins Herz geschlossen und wollen Sie nicht mehr gehen lassen. Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Mavropanos: Ich kann allen VfB-Fans versichern, dass die Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen. (lacht) Ich spüre eine besondere Verbindung zu ihnen und das bedeutet mir viel. Die Unterstützung, die sie mir, aber vor allem dem gesamten Team entgegenbringen, ist großartig. Das gibt einem auf dem Feld einen richtigen Boost. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich weiß, dass ich mich beim VfB unglaublich wohl fühle. Ich genieße die Zeit in Stuttgart gerade sehr, das Umfeld ist fantastisch - natürlich kann ich mir vorstellen, lange hier zu bleiben.

Die Saison ist bislang - teilweise auch aufgrund einer fast schon grotesken Verletzungsmisere - sehr herausfordernd. Wie würden Sie die Leistungen bislang einordnen?

Mavropanos: Ich finde, dass wir mehr Punkte auf dem Konto haben müssten. Wir haben sicher nicht immer eine Top-Leistung abgerufen, aber wir hatten ein paar Spiele, in denen wir gut gespielt haben und am Ende ohne Punkte dastanden. Das hat uns sehr wehgetan. Ich bin aber dennoch guter Dinge für den Rest der Saison. Wir haben hier eine Gruppe zusammen, die Tag für Tag wirklich hart arbeitet und alles für den Erfolg tut. Wir haben auch eine Gruppe zusammen, die genau weiß, was unsere Identität ist, wie VfB-Fußball aussehen soll. Aggressiv, offensiv. Wir werden uns Stück für Stück aus der aktuellen Situation herausarbeiten.

Letzte Frage: Sie stehen mit 24 Jahren immer noch am Anfang Ihrer Karriere. Wenn Sie in 15 Jahren nicht mehr aktiv sind, was wollen Sie unbedingt erreicht haben?

Mavropanos: Ein großes Ziel ist es auf jeden Fall, mit der griechischen Nationalmannschaft ein großes Turnier zu spielen und dazu meinen Teil beizutragen. Eigentlich wollten wir uns schon für die WM in Katar qualifizieren, aber das haben wir leider nicht geschafft. Wir sind auf einem guten Weg, wir haben viele gute Talente in Griechenland, wir brauchen nur noch etwas Zeit.

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